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07.07.2024 - Die Mundart des Oderbruchs

Am 15.Juni 2015 wurde in der MOZ ein Dokumentarfilm angekündigt, der in der Neulietzegöricker Kirche bereits gezeigt wurde und den Titel "Von Icke bis Platt - Wie in Berlin und Brandenburg ursprünglich gesprochen wird" trägt. Die Überschrift des MOZ-Beitrages von Kenneth Anders lautete: "Ick soll ihn wat vertelln." Diejenigen älteren Oderbrücher, die längst tot sind und mit denen ich vor fast 50 Jahren gesprochen habe, hätten übereinstimmend gesagt: "Ick soll ju wat vertelln". Schon aus diesem kleinen Beispiel geht hervor, wie sich die Oderbrücher Mundart seitdem verändert hat und weiter verändern wird.

Die Sprache, die die Oderbrücher heutzutage im Alltag sprechen, kann man kaum noch als "Oderbruchplatt" bezeichnen. Vor der Trockenlegung des Bruchs sprach die Altbevölkerung unter sich einen sorbischen Dialekt. Zumindest die Familienväter konnten auch deutsch, was unabdingbar war, wenn sie auf dem Wriezener Fischmarkt ihre Fische verkaufen mussten und sich von dem erlösten Geld mit Waren eindeckten, die sie selbst nicht produzieren konnten. Ihr Deutsch gehörte zum Bereich der niederdeutschen Sprache und lag innerhalb der Grenzen der mittelmärkischen Mundart.

Dann kamen nach 1754 die Kolonisten aus verschiedenen, sehr unterschiedlichen Teilen des außerpreußischen Deutschlands und aus Österreich. Sie brachten natürlich ihre mundartlichen Eigenheiten mit, die sich mit denen der Einheimischen über kurz oder lang vermischten, ohne gänzlich zu verschwinden. Dabei gab es zunächst in den verschiedenen Kolonistendörfern ganz eigene Sprachvarianten, die mit der jeweiligen Herkunft der Siedler zu tun hatten. In Neubarnim z.B., wo vorwiegend Pfälzer und Österreicher angesetzt wurden, sagte man noch lange: "Des ken’n mer nicht", "kuum runner", "des du ich nich", "ich heb nischt". Dass aus dem "ich" bald ein "ick" geworden ist, hat mit dem Berlinischen zu tun, einer Sprache mit eigener Grammatik, die im weiten Umkreis Berlins die Volkssprachen mehr und mehr überformt, ja teilweise verdrängt hat. In den Orten Neutrebbin und Neulewin dagegen wurden deutsche Bauern aus polnischen Herrschaftsgebieten heimisch. Deren Alltagssprache wurde in älteren Darstellungen als "großer Misch-Masch von nicht selten radebrechendem Deutsch" bezeichnet. Insgesamt aber entstand innerhalb von 150 Jahren ein Sprachduktus, der in der märkischen Sprachlandschaft etwas Eigenständiges darstellte und auch unverwechselbar war.

Gravierende Veränderungen brachte die Einwanderung von Arbeitern aus Posen, Westpreußen und Schlesien aus den im Ersten Weltkrieg verloren gegangenen deutschen Ostgebieten. Die Reste der alten Oderbrücher Mundart und die Auswirkungen der Zuwanderung auf Wortschatz und Aussprache haben sprachwissenschaftliche Untersuchungen im Jahre 1925 festgehalten und dokumentiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden Heimatvertriebene aus den östlich angrenzenden Gebieten im Oderbruch eine neue Heimat. Sie sprachen das neumärkische Platt, während Neusiedler aus weiter entfernten Gegenden noch mit ganz anderen, fremdartigen Spracheinflüssen aufwarteten. Außerdem wirkte sich durch die wachsende Mobilität der Menschen immer stärker das Berlinische aus und durch den Schulunterricht, die Medien und die Behördensprache drang auch die hochdeutsche Sprache in den Alltag der Oderbruchbewohner ein.

Die heute gesprochene Oderbrücher Mundart hat also nur noch wenig mit dem zu tun, "was ursprünglich gesprochen wird". Ob sie einst ganz verschwinden wird, weil ihre Sprecher aussterben, sei dahingestellt. Doch Sprache ist immer auch ein wichtiges kulturelles Element, das zur landschaftlichen Identität dazugehört. Insofern gehört die Oderbrücher Mundart zum kulturellen Erbe des Oderbruchs, das seit zwei Jahren das überregional hochwertige Kulturerbesiegel trägt.

An folgendem Sprachbeispiel, das Mundartforscher um 1960 im Oderbruch aufgezeichnet und im Heimatkalender von 1963 veröffentlicht haben, mag deutlich werden, ob heute hier noch jemand so spricht bzw. was davon noch übrig ist:

Um 1960, also vor fast 65 Jahren, schilderte Frau Dexheimer aus Altreetz das längst aus der Mode gekommene Federnreißen in Oderbrücher Mundart:

"Scheen war ook immer det Fäädernrieten int Dörp. Dorto wurden alle, wat so de nächsten worn, injeloodn. Jleich not Neijohr jing et los. Wer nun vill Fäädan hadde - denn det sullen ja ofte de Bruutbedden werdn - mußte janze lange Dische upstelln, un denn fing Tante Alma an: ‘Mäkes, nu singt man ierscht en Enge!’ Un keener kunn anfang, bis et denn Tante Alma jemokt het. Mierschtendeels wor et en janz frommet Enge, wat sich so scheen lang trecken leet. Jeräätn wurde mierschtens bis halb zehne.
Upn letzten Abend wor denn de Fääderköste. Do jaf et scheenen Koke un Kaffe. Up manche Stellen spielte ook eener upt Treckedings, un denn kunn we ook en Enge danzen, uppe Strümpe natürlich, det de Dielen nich so afjeschrammt wurdn!"

Text: Dr. Reinhard Schmook

Abschied vom Deichgrafen

Hans-Peter Troemel am 30.11.2016 In diesen Tagen müssen wir Abschied nehmen von Dipl.-Ing. Hans-Peter Trömel, der uns am 11. Januar 2024 für immer verlassen hat. Aus Riesa stammend kam er 1959 nach Bad Freienwalde und absolvierte hier eine Lehre als Wasserbaufacharbeiter. Anschließend studierte er in Magdeburg und Dresden, wo er an der Technischen Universität den Abschluss als Diplom-Ingenieur für Wasserwirtschaft erwarb. Die längste Zeit seines Berufslebens wirkte er als Flussbereichsleiter für den Flussbereich Bad Freienwalde, zu dem das gesamte Oderbruch gehörte. Nach der Wiedervereinigung erfüllte er die gleichen Aufgaben, nur dass seine Dienstbezeichnung ab 1992 "Leiter der Nebenstelle Bad Freienwalde (Oder) des Landesumweltamtes Potsdam" lautete. Seine Arbeitsstätte war und blieb bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2006 das Deichhaus in der Bad Freienwalder Goethestraße. Große Verdienste erwarb er sich während der Oderflut im Sommer 1997, als er entscheidend dazu beitrug, eine drohende Überschwemmungskatastrophe zu verhindern. Dafür verlieh ihm Bundespräsident Roman Herzog am 7. Juli 1998 das Verdienstkreuz am Band des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In jenen Tagen, in denen er sich höchstes Ansehen in der Öffentlichkeit erwarb, legte man ihm den inoffiziellen Ehrentitel "Deichgraf" bei, auf den er stolz war.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte er sich jahrelang als SPD-Stadtverordneter für die Interessen unserer Kurstadt, war ehrenamtlich für den Natur- und Umweltschutz in unserer Heimat tätig und betreute den Geologischen Lehrpfad in Altranft. Außerdem gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Oberbarnimer Kulturvereins und war seit 1990 dessen stellvertretender Vereinsvorsitzender.
Schon seit Anfang der 1970er Jahre wirkte er im Beirat des Oderlandmuseums mit, weil er sich für die Geschichte des Oderbruchs interessierte, über die er viele interessante Beiträge im Bad Freienwalder Heimatkalender veröffentlichte. Bis zuletzt war er auch Mitglied in dessen Redaktionskollegium.
Seit 2004 wirkte er als Vorsitzender des Stiftungsrates der Albert Heyde Stiftung, deren Entwicklung er maßgeblich förderte. Als aktives Mitglied im Museumsbeirat, später Freundeskreis des Oderlandmuseums, unterstützte er ein halbes Jahrhundert lang mit seinen fundierten Kenntnissen aus Natur und Geschichte die Arbeit des Museums. Mit seinem Tod verlieren die Stiftung und das Oderlandmuseum einen treuen Freund, der allseits beliebt war und uns in seiner zugewandten Art stets hilfreich zur Seite stand. Voller Dankbarkeit werden wir das Andenken an ihn wachhalten.
Ein ausführlicher Nachruf wird in der nächsten Ausgabe des Bad Freienwalder Heimatkalenders für 2025 veröffentlicht.

Im Namen der Stiftung:
Reinhard Kampmann, Ralf Lehmann, Hartmut Raeck, Veronika Nawin und Reinhard Schmook
Text: R. Schmook, Foto: H. Lauter

10.11.2023 - Bad Freienwalder Heimatkalender 2024 vorgestellt

Autoren des Heimatkalenders 2024 In Anwesenheit der meisten Autoren und einiger interessierter Heimatfreunde hat die Albert Heyde Stiftung am Freitag, dem 10. November, im Teehäuschen den neuen Bad Freienwalder Heimatkalender für 2024 vorgestellt. Der nun schon 68. Jahrgang bietet eine breite Palette regionalgeschichtlicher, naturkundlicher und gegenwartsbezogener Themen, denen sich die Mitwirkenden gewidmet haben. Insgesamt sind es 28 Beiträge geworden, die wie immer ehrenamtlich beigesteuert wurden und viel Neues enthalten, auch manche Überraschung. Zu Gast war der Historiker Tomas Unglaube aus Reinbek bei Hamburg, der sich intensiv mit der Lebensgeschichte von Hermann Körner, einem aktiven Nationalsozialisten, beschäftigt. Derzeit recherchiert er im Oderlandmuseum anhand des Oberbarnimer Kreisblattes, der damaligen Regionalzeitung, auf den Spuren Körners, der seit 1933 Bürgermeister in Werneuchen war, dann von 1939 bis 1945 in Küstrin. Während des Entnazifizierungsverfahrens in der britischen Besatzungszone hat er mehrfach gelogen und seine Karriere als Naziaktivist und Amtsträger verschleiert. Als er 1951 Bürgermeister von Reinbek wurde, galt er als entlastet.

Neben geschichtlichen Themen enthält der neue Heimatkalender auch Berichte über die Einweihung des neuen Schiffshebewerkes Niederfinow und über die Feier zum 100-jährigen Gründungsjubiläum des Bad Freienwalder Wintersportvereins (Udo Schonert). Mit großartigen Fotos angereichert präsentieren sich die Aufsätze über die vom Aussterben bedrohte Wiesenweihe (Detlef Malchow) und über Mummeln und andere Seerosenarten unserer Heimat (Prof. Antje Stöckmann). Das Redaktionsteam arbeitet schon an der nächsten Ausgabe für 2025 und lädt alle interessierten Heimatfreunde ein, sich mit einem eigenen Beitrag daran zu beteiligen.
Abb.: Autorinnen und Autoren sowie die beiden Grafikerinnen des Findling-Verlages.
Text: R. Schmook, Foto: H. Lauter